Der Zusammenbruch der Sowjetunion führte im Jahr 1991 zur Geburt einer gefährlichen amerikanischen Ideologie namens Neokonservativismus. Die Sowjetunion diente einst als Hürde im Hinblick auf ambitionierte Alleingänge der Vereinigten Staaten in der Welt. Im Angesicht der Beseitigung dieser Fessel Washingtons deklarierten die Neokonservativen ihre Agenda zur US-Welthegemonie. Amerika blieb nun als "einzige Supermacht" in der Welt übrig, die ohne jede Hemmnis selbst in den entlegendsten Ecken der Welt eingriff und sich einmischte.

Der neokonservative Journalist Charles Krauthammer von der Washington Post fasste diese "neue Realität" wie folgt zusammen: "Wir verfügen über eine unvorstellbare globale Macht. Wir sind die durch die Geschichte auserkorenen Sachwalter des internationalen Systems. Als die Sowjetunion unterging, wurde etwas Neues geboren, etwas völlig Neues. Namentlich eine unipolar durch eine einzig verbliebene Weltmacht dominierte Welt, unbehelligt durch irgendwelche Rivalen und mit entscheidender Reichweite in jedem Winkel dieser Erde. Dies ist eine atemberaubende Entwicklung in der Menschheitsgeschichte, die es seit dem Fall von Rom so nicht mehr gegeben hat. Selbst Rom dient nicht als Modell dafür, was Amerika heute ist."

Die atemberaubende, unipolare Macht, welche die Geschichte Washington in die Hände gespielt hat, muss mit Händen und Füßen verteidigt werden. Im Jahr 1992 verfasste Paul Wolfowitz, zu diesem Zeitpunkt Top-Offizieller im US-Pentagon, die Wolfowitz-Doktrin, welche zur Grundlage von Washingtons zukünftiger Außenpolitik wurde. Aus der Wolfowitz-Doktrin geht hervor, dass sich das "primäre Ziel" der amerikanischen Außen- und Militärpolitik daran orientiert, "das Wiederemporkommen neuer Rivalen – gleich ob auf dem einstigen Territorium der Sowjetunion oder anderswo in der Welt – mit allen Mitteln zu verhindern.

Was ist aus US-Sicht eine "feindliche Macht"?

Dies gilt insbesondere für potenzielle Rivalen nach dem einstigen Vorbild der Sowjetunion, die eine Bedrohung im Hinblick auf eine unilaterale Außenpolitik Washingtons bilden könnten. Hierbei handelt es sich um eine nicht zu unterschätzende Doktrin, die zur Grundlage der regionalen Verteidigungsstrategie unseres Landes avancierte. Es geht darum, alles nur Erdenkliche zu tun, um den Aufstieg einer feindlich gesinnten Macht, die eine Weltregion beherrscht, und deren Ressourcen und konsolidierte Kontrolle über diese Ressourcen ausreichen würden, um sich zu einer globalen Macht aufzuschwingen, mit allen Mitteln zu verhindern."

Eine "feindlich gesinnte Macht" wird als Land klassifiziert, das stark genug ist, um eine von Washington unabhängige Außenpolitik zu betreiben. Die unilaterale Durchsetzung von Amerikas alleiniger Macht begann ernsthaft in den Jahren der Präsidentschaft von Bill Clinton. Damals häuften sich die Auslandsinterventionen Washingtons, beispielsweise in Ex-Jugoslawien, Serbien, dem Kosovo sowie der Entscheidung zur Verhängung einer Flugverbotszone über dem Irak.

Im Jahr 1997 lancierten die Neokonservativen ihr "Projekt zugunsten eines neuen amerikanischen Zeitalters". Im Jahr 1998, drei Jahre vor den Anschlägen von 9/11, schickten die Neokonservativen einen Brief an den damaligen Präsidenten Bill Clinton, der zu einem Regimewechsel im Irak und "einer Beseitigung Saddam Husseins von der politischen Macht" aufrief. Die Neokonservativen verfassten zudem ihr Programm, das eine Beseitigung von sieben Regierungen in der Welt innerhalb von fünf Jahren vorsah. 

Die Ereignisse vom 11. September 2001 - wirklich DER Wendepunkt?

Die Ereignisse vom 11. September 2001 werden durch informierte Menschen und Beobachter als "das neue Pearl Harbor" bezeichnet, von denen die Neokonservativen behaupteten, dass sie notwendig gewesen seien, um deren Kriege und Eroberungen im Nahen und Mittleren Osten zu beginnen. Paul O'Neil, Präsident George W. Bushs erster Finanzminister, hatte in der Öffentlichkeit erklärt, dass sich die Agenda des ersten Kabinettstreffens der neuen Regierung von Präsident Bush um eine militärische Invasion des Iraks drehte.

Diese Invasion wurde schon vor 9/11 geplant. Seit 9/11 hat Washington acht Länder dieser Erde in Gänze oder teilweise in Schutt und Asche gelegt und konfrontiert Russland nun sowohl in Syrien als auch in der Ukraine. Russland kann nicht hinnehmen, dass sich ein dschihadistisches Kalifat in Regionen des Iraks und Syriens etabliert, weil es sich dabei um eine Basis handeln würde, von der aus eine Destabilisierung von hauptsächlich muslimisch bewohnten Regionen innerhalb der Russischen Föderation stattfinden würde.

Es war Henry Kissinger selbst, der diese Tatsache einst ins Feld führte. Auch jedem aufmerksamen Beobachter sollte dieses Faktum klar sein. Wie dem auch sei, es sind die machthungrigen und fanatischen Neokonservativen, welche die Regierungen von Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama kontrolliert haben. Zudem sind diese Personen derart gefangen in ihrer eigenen Hybris und Arroganz, dass es gar schon so weit gekommen ist, die türkische Marionette ein russisches Kampfflugzeug vom Himmel holen zu lassen und eine ehedem demokratisch gewählte Regierung in der Ukraine zu stürzen, die auf eine gute Zusammenarbeit mit Russland blickte.

Neue US-Militärdoktrin: Atomwaffen nicht mehr "nur" zur Vergeltung

Anstelle dessen blickt die Welt heute auf eine Marionettenregierung von Gnaden Amerikas in der Hauptstadt Kiew. Diese Hintergründe reichen aus, um zu verstehen, dass die gefährliche Entwicklung, der die ganze Welt entgegenblickt, nichts anderes als ein Produkt einer neokonservativen und höchst arroganten Strategie zugunsten der Erlangung der anvisierten US-Hegemonialität ist. Das Versagen im Hinblick auf die Urteilskraft und die Gefahren, die aus den syrischen und ukrainischen Konflikten resultieren, sind selbst eine Konsequenz aus der neokonservativen Ideologie. 

Um das Ziel der amerikanischen Hegemonialität zu untermauern, schmissen die Neocons die Garantien, die Washington einstmals gegenüber Gorbatschow abgab, laut denen die NATO nicht einen Zentimeter in Richtung Osteuropa vorrücken würde, aus dem Fenster. Es waren auch die Neokonservativen, welche die Vereinigten Staaten zur Aufgabe des ABM-Vertrages brachten. In den ABM-Verträgen wurde festgelegt, dass weder die USA noch Russland anti-ballistische Raketen stationieren würden. 

Die Neokonservativen schrieben auch die Militärdoktrin der Vereinigten Staaten um und legten fest, dass dem Einsatz von Atomwaffen nicht mehr nur eine Vergeltungsrolle zukam, sondern Nuklearwaffen in einem präventiven Erstschlag zum Einsatz kommen können. Die Neokonservativen begannen damit, ABM-Basen an Russlands Grenzen zu errichten, sich darauf berufend, dass diese Basen zum Zweck des Schutzes Europas gegen nicht existierende interkontinentale Atomträgerraketen aus dem Iran zur Verfügung stünden.

Dämonisierung Russlands

Russland und Russlands Präsident Wladimir Putin sind durch die Neokonservativen und deren Marionetten in der US-Regierung und deren angeschlossene Medien dämonisiert worden. Zum Beispiel betitelte Hillary Clinton, Kandidatin zur Nominierung als Präsidentschaftsanwärterin in der Demokratischen Partei, Putin als "den neuen Hitler." Ein ehemaliger CIA-Offizieller rief zu einer Ermordung Putins auf. Die Präsidentschaftsanwärter in beiden Parteien tragen einen Konkurrenzkampf aus, der sich darum dreht, wer gegenüber Russland den aggressivsten Bewerber und den Putin am meisten beleidigenden Kandidaten abgibt.  

Folge ist, dass das Vertrauen zwischen zwei Nuklearmächten zerstört worden ist. Die russische Regierung hat gelernt, dass Washington die durch Washington ins Feld geführten Gesetze nicht respektiert. Ebenso verhält es sich im Hinblick auf internationale Gesetze. Zudem wird deutlich, dass Washington nicht vertraut werden kann, wenn es um die Einhaltung von einst getroffenen Vereinbarungen geht.

Dieser Mangel an Vertrauen, Hand in Hand gehend mit der Aggression gegenüber Russland, wird durch Washington und dessen verlängertem Medienarm Tag ein Tag aus forciert, und findet sein Echo in den überforderten Hauptstädten Europas. Diese höchst gefährlichen Entwicklungen bilden die Grundlage für einen absehbaren Ausbruch eines Nuklearkriegs. Da der NATO (oder vielmehr der USA) der Ausblick auf einen militärischen Sieg über Russland in einem konventionellen Krieg versagt bleibt – und sich noch weniger wahrscheinlich im Hinblick auf eine militärische Allianz zwischen Russland und China gestaltet –, wird dieser Krieg nuklear geführt werden.

Um einen Krieg zu verhindern, verhält sich Putin nach wie vor nicht provokativ und blendet die durch den Westen lancierten Provokationen nahezu aus. Dieses Verhalten Putins wird im Kreis der Neokonservativen als Zeichen der Furcht und Schwäche missinterpretiert. Die Neokonservativen verlangen von Präsident Obama, den Druck gegenüber Russland aufrecht zu erhalten, um Russland zum Einlenken zu bewegen. Wie dem auch sei, Putin hat klar gemacht, dass Russland sich nicht beugen wird. Putin hat diese Nachricht zu mehreren Gelegenheiten verbreitet. So zum Beispiel auch im Rahmen des 70. Jahrestags der Vereinten Nationen am 28. September 2015. Damals erklärte Putin, dass Russland die Zustände in der Welt nicht länger tolerieren werde. Zwei Tage später startete Russland seinen Krieg gegen den IS in Syrien.

Europas Vasallenstaaten als US-Komplizen

Die europäischen Regierungen, darunter insbesondere diejenigen Deutschlands und U.K.s, sind Komplizen auf dem Weg in einen Nuklearkrieg. Diese beiden amerikanischen Vasallenstaaten befähigen Washington nämlich erst zu dessen rücksichtslosen Aggressionen gegenüber Russland, indem die Washingtoner Propaganda in deren heimischen Medien immer wieder heruntergebetet und die Washingtoner Sanktionen und Interventionen gegen/in anderen Ländern unterstützt werden. Solange Europa nicht mehr als ein verlängerter Arm Washingtons sein wird, wird sich der düstere Ausblick auf ein Armageddon in der Welt verstetigen.

Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich der Ausbruch eines Nuklearkriegs nur auf zweierlei Weise verhindern. Eine Möglichkeit wäre, dass sich sowohl Russland als auch China ergeben, um sich Washingtons Welthegemonialität zu beugen. Die andere Möglichkeit wäre, dass ein unabhängiger politischer Führer in Deutschland, Großbritannien oder Frankreich emporkäme, um die Entscheidung eines NATO-Austritts zu treffen. Die NATO, Washingtons Spielzeug zur Erzeugung von Konflikten mit Russland und die momentan gefährlichste Macht auf Erden, würde dann voraussichtlich zerfallen. Falls die NATO weiterexistieren sollte, wird die NATO – gepaart mit der neokonservativen Ideologie einer amerikanischen Weltherrschaft – einen Nuklearkrieg unausweichlich machen.

Gastbeitrag für CK*wirtschaftsfacts / © 2015 Dr. Paul Craig Roberts / Institute for Political Economy

Das neue Buch von Dr. Paul Craig Roberts mit dem TitelThe Neoconservative Threat to World Order ist im Buchhandel oder über das Internet erhältlich.

 

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"